„Das schafft kein Mensch“

Von anderen etwas abschauen ist eine sehr effiziente Methode, um sich selbst zu verbessern. Aber wohin soll die Immobilienbranche blicken, um beim Thema Künstliche Intelligenz dazuzulernen? „Natürlich in die Industrie. Dort wird KI beispielsweise zur Produktentwicklung eingesetzt, Stichworte sind auch Machine Learning oder Bildanalyseverfahren. Aber vor allem empfehle ich einen Blick in die Open-Source-Welt“, sagt Claudia Feiner, Senior Manager Strategy bei der Unternehmensberatung Diconium, die einen Hintergrund aus dem Automotive- und Maschinenbaubereich hat.

„Das Wichtigste ist, dass man seine eigenen Use Cases entwickelt. Apleona setzt dabei auf eine gute Mischung aus Praktikern und KI-Experten “

Gerade bei Themen wie Smart City, aber auch Internet of Things gebe es viele Anregungen, hinter denen kein gewinnorientierter Konzern wie Google oder Meta stehe. „Und wo ich immer hinschauen würde: In die Gaming-Industrie“, ergänzt Claudia Feiner auf einem Panel der Expo Real. Dort werden sogenannte Engines verwendet, mit denen man Simulationen fahren kann. „Sie werden im Automobilbau, aber auch von Architekten für Visualisierungen genutzt.“ Zunächst allerdings sollte sich die Immobilienbranche in ihrer eigenen Umgebung umschauen.

„Man muss gar nicht so weit nach außen blicken. Das Wichtigste ist, dass man seine eigenen Use Cases entwickelt“, meint Dr. Jochen Keysberg, CEO von Apleona. Predictive Maintenance ist ein Stichwort: Sie ist im industriellen Produktionsbereich entscheidend. Apleona verantwortet das Facility-Management eines Unternehmens im Pharmabereich, „dort wäre der Produktionsausfall gigantisch, wenn die Klimatisierung nicht funktioniert.“

CO2-Einsparung von bis zu 28% mit KI

Bei einer Klimaanlage in einem normalen Gebäude dagegen sei eine Predictive Maintenance weniger wichtig. Alle 15 Minuten gibt es einen Impuls. Bereits im Einsatz ist KI bei der intelligenten Steuerung von Gebäuden. Wie das aussieht, erläutert Keysberg: „Alle 15 Minuten geht ein Impuls an die Gebäudetechnik auf der Basis des Wetterberichts, der Besetzung der Büros und anderer Faktoren. Das schafft kein Mensch.“

„Alle 15 Minuten geht ein Impuls an die Gebäudetechnik. Das schafft kein Mensch.“

Mit der entsprechenden Software lassen sich große Einsparungen beim CO2-Ausstoß erzielen: „Bei uns waren es mehr als 20 Prozent“, berichtet Jochen Schenk, langjähriger Vorstandsvorsitzender von Real I.S. und ZIA-Vizepräsident. Keysbergs Erfahrungen bewegen sich in einem ähnlichen Bereich: „Wir holen im Durchschnitt 28 Prozent heraus.“tenqualität ist für Ergebnis entscheidend

Bei KI bestehe aber oft das Problem, dass die Quellen von Aussagen nicht immer nachvollziehbar seien. Aber es gebe mittlerweile Proptechs, die an dem Thema Quellen arbeiten. Schenk geht noch näher an die Wurzeln: Man wäre froh, „den Datenbestand fehlerfrei oder so auswertbar zusammenzustellen, dass die Ergebnisse nachvollziehbar sind.“ Datenformate und Regulatorik, auch damit schlagen sich Institutionelle herum. „Ich kann nur die Datensätze auswerten, die den gleichen Inhalt haben“, so Jochen Schenk.

„Die Strukturierung ist ein großer Use Case bei Apleona, damit wir überhaupt mit den Daten arbeiten können“

Doch die KPI (Key Performance Indicators) und die Datenpunkte sind nicht normiert. Dazu kommt die schiere Menge: „In der Unternehmensbericht-erstattung werden 1.200 Datenpunkte gefordert, davon 460 aus den Immobilien heraus.“ Der ZIA arbeitet nun daran, auf 33 KPI herunterzukommen mit weniger als 18 Datenpunkten und einer einheitlichen Definition. „Wir können es dieses Jahr noch hinbekommen“, ist Schenk zuversichtlich.

Viele Daten liegen ohnehin schon vor, man muss sie nur finden und zusammenführen, betont Grit Liebermann: „Wir unterschätzen, welche Daten wir bereits haben. Die große Herausforderung ist, wie wir diese Dinge für uns zugänglich machen.“

„Wir unterschätzen, welche Daten wir bereits haben. Die große Herausforderung ist, wie wir diese Dinge für uns zugänglich machen.“

Von den Mühen der Datensammlung kann Jochen Keysberg ein Lied singen. Apleona hat sich vor drei Jahren auf den Weg gemacht, alle Assets in den betreuten Gebäuden digital aufzunehmen. Diese Zeit wurde auch benötigt „nicht für die Erstaufnahme, sondern für die Loops danach, um die Fehler der Erstaufnahme herauszubekommen.“ Diese Schleifen mussten in Handarbeit gedreht werden. Eine Bilderkennung habe nicht fehlerfrei funktioniert, weil die Anlagen so unterschiedlich seien. Immerhin ließ sich das Nachprüfen im Rahmen des normalen Wartungszyklus erledigen. Wenn man diese Erfahrungen nun auf ganz Deutschland überträgt, kann einem schwindelig werden. „80 Prozent der Verbraucheranlagen wie Pumpen oder Heizkessel sind älter als 18 Jahre“, rechnet Keysberg vor. Also in Kürze sanierungsbedürftig. „Diese Daten sind extrem wichtig, um die Immobilienbranche langfristig zu dekarbonisieren.“

Der „digitale Reisestecker“ als Schnittstelle

Viel zu oft sind Daten unstrukturiert – ein weiteres Problem auf dem Weg zur Dekarbonisierung. „Die Strukturierung ist ein großer Use Case bei uns, damit wir überhaupt mit den Daten arbeiten können“, so Jochen Keysberg. Einheitliche Datenmodelle wären zudem wünschenswert, aber nicht einmal bei BIM habe man das bisher geschafft. Darum meint er: „Die Kunst ist, intelligente Schnittstellen zu schaffen.“

Nur nicht abschrecken lassen, lautet die Botschaft von Claudia Feiner. Mithilfe der KI „brauchen wir nicht immer die gleich strukturierte Exceltabelle oder CSV-Datei“. Voraussetzung ist, dass die Daten digitalisiert sind. Jochen Keysberg wünscht sich einen für alle Umgebungen passenden „Reisestecker“, um von der Schnittstellen-Diskussion wegzukommen. Claudia Feiner kann aus der Automobilindustrie berichten, dass dort bereits eine Plattform existiert, die die Interoperabilität unterschiedlicher Datenformate sicherstellt. „Es werden sich Drittanbieter etablieren, die sich genau darauf spezialisieren“, erwartet sie.

„Das Lernen der KI geht am Ende ja nur über große Datenbestände“

Ein Schmerzpunkt der Immobilienbranche sind zudem die großen Datenmengen, die nötig sind, um effektiv zu dekarbonisieren. „Das Lernen der KI geht am Ende ja nur über große Datenbestände“, betont Jochen Keysberg. Auch dafür hat Claudia Feiner einen hilfreichen Hinweis: „Wenn man einen digitalen Zwilling hat, dann gibt es die Möglichkeit, sogenannte synthetische Daten herzustellen. Diese Werte lassen sich dann auf vergleichbare Objekte applizieren.“

Was die KI kann und braucht, ist das eine. Die wirklich entscheidende Frage ist aber, wie die Menschen im Unternehmen diese Umwälzungen mitgehen. Wichtiger als Data Scientists seien Menschen, die Brücken bauen und komplexe Punkte miteinander verknüpfen können, unterstreicht Claudia Feiner. „Für uns sind Leute wichtig, die sich Use Cases ausdenken“, sagt Jochen Keysberg. Man habe eine gute Mischung aus Praktikern und KI-Experten – und ein KI-Experte sei im Transformationsteam möglicherweise besser aufgehoben als in der IT-Abteilung. Wenn dann Spezialwissen nötig ist, „gibt es extern genug Software, auf die wir zugreifen können.“