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„Wir können uns mit digitalen Tools Zeit kaufen“
Der Immobilienbranche ging es viele Jahre gut. Jetzt haben sich die Rahmenbedingungen verändert. Welchen Effekt hat das auf die digitale Transformation?
Vorwegnehmen möchte ich, dass ich überwiegend aus der Perspektive Bestandsimmobilien auf die Themen schaue – und hier gibt es aus meiner Sicht unterschiedliche Einflüsse und Wirkungsweisen. Die hohen Energiepreise etwa haben dazu geführt, dass Digitalisierung im Sinne einer Transparenzschaffung beim Energieverbrauch oder CO2-Ausstoß noch einmal einen richtigen Schub bekommen hat – und das mehr, als es die Regulatorik vermochte, die ja schon einige Jahre zuvor angestoßen wurde. Die Taxonomie und Reporting-Pflichten haben sicherlich gerade im institutionellen Bereich sofort für Aufklärungsbedarf gesorgt, darüber hinaus aber wenig Aktivitäten ausgelöst. Die Aspekte Kosten und Knappheit dagegen haben übergreifend einen ganz starken Push auf das bewirkt, was im digitalen Umfeld der Energieeffizienz und damit auch CO2-Reduktion passiert.
Digitale Lösungen rund um die Dekarbonisierung haben also profitiert?
Aus meiner Sicht fängt die Dekarbonisierung des Gebäudes immer mit digitalen Lösungen an, von der Transparenzschaffung über das Monitoring bis hin zur Steuerung im Betrieb. Durch die Verteuerung der Energie hat das auch dort einen enormen Schub erfahren, wo die Leute vorher doch sehr zögerlich unterwegs waren. Hier sieht man jetzt einen sehr starken Willen, Entscheidungen zu treffen und nach vorne zu gehen.
Welchen Einfluss haben die gestiegenen Zinsen und weitere Faktoren wie Inflation oder Baukostensteigerungen?
Es ist nichts Neues, dass hohe Zinsen für die Tech-Branche eher Gift sind, weil alle, die sich in den letzten Jahren auf den Weg gemacht haben, auf einmal vor ganz anderen Finanzierungsschwierigkeiten stehen oder stehen werden. Hier werden wir eine Bereinigung der Szene sehen, was natürlich schade ist, weil aus genau diesem Bereich viel Kreativität kommt. Darüber hinaus gibt es zwei Reaktionen auf die insgesamt höheren Kosten, wobei die Zweite meines Erachtens überwiegt. Die Erste ist die, dass Unternehmen ihre digitalen Investitionen etwas zurückfahren. Durchsetzen wird sich, zweitens, am Ende aber all das, was in Richtung Effizienz geht und das wird jetzt noch einmal einen richtigen Schub bekommen.
Da uns das Thema Baukosten weniger betrifft, würde ich in diesem Kontext eher auf den Gebäudebetrieb schauen. Auch hier kann ja durch digitale Lösungen, Tools und Herangehensweisen enormes Potenzial an Effizienzen gehoben werden. Wir haben bei uns beispielsweise ein System eingeführt, das wir Asset Information Modelling, in Anlehnung an BIM kurz AIM, genannt haben. Damit gewinnen wir einen wirklich guten Überblick über all die Assets und können etwa Einkaufsleistungen oder Bereiche im Betrieb besser steuern.
Welche weiteren maßgeblichen Treiber von Digitalisierung gibt es aus Ihrer Sicht?
Der Fachkräftemangel ist ein Riesenthema. Nach dem Zusammenschluss mit Gegenbauer haben wir 40.000 Mitarbeiter. Da ist es natürlich ein alltägliches Thema, wie man personelles Wachstum gestaltet. Wir können zwar mehr Lehrlinge ausbilden und im Ausland Personal rekrutieren, was wir auch alles machen – aber all das wird nie dazu führen, dass wir den Mangel an Facharbeitern ausgleichen können. Der wird eher größer. In unserer Industrie insgesamt, auf dem Bau, aber insbesondere im Gebäudebetrieb ist daher die Standardisierung und Automatisierung von Prozessen, soweit es irgendwie geht, das beste Mittel, um aus dem Fachkräftemangel herauszukommen.
On top kommt noch das Thema der Dekarbonisierung in der physischen Arbeit. Die Low Hanging Fruits, die wir jetzt ohne komplexe Maßnahmen in den nächsten drei Jahren in den Gebäuden vornehmen, sind ja vergleichsweise aufwandsarm. Aber in drei bis fünf Jahren steuern wir auf die arbeitsintensiven Maßnahmen zu, wo etwa Technik in großem Stil ausgetauscht werden muss. Bis dahin müssen digitale Lösungen zu hohem Effizienzgewinn geführt haben, damit wir dafür dann die Leute haben.
Die Digitalisierung ist also nicht auf das billige Geld der vergangenen Jahre zurückzuführen, sondern hatte zwar sehr heterogene, aber konkrete Gründe. Und daher führt auch künftig kein Weg an Digitalisierung vorbei?
Das ist für uns und die Industrie ein Take away: In Sachen Digitalisierung bewegt sich nur etwas, wenn der Druck richtig groß wird. Was haben wir mit unseren Kunden über Energieeffizienzlösungen diskutiert, wo stets der ROI im Vordergrund stand. Der hat sich im letzten Jahr schlagartig verbessert. Themen, die sich dagegen aus meiner Sicht noch immer sehr langsam nach vorne bewegen, aber auch zur Digitalisierung im und am Gebäude gehören, sind Convenience-Themen. Das fällt für viele unserer Kunden unter nice to have und damit in schwierigen Zeiten eher weg. Anders sieht es aus, wenn sich zum Beispiel durch Buchungssysteme Flächen reduzieren lassen. Der reine Convenience-Gedanke, der ja durchaus vor zwei, drei Jahren viel stärker im Fokus war, auch bei Lösungen, die am Markt zur Verfügung standen, ist dabei ein bisschen in den Hintergrund getreten. Must have und zukunftsfähig ist dagegen alles, was mit ESG, ESG-Reporting usw. zu tun hat und Effizienzen hebt.
Und das ist nach Innen und Außen gerichtet. Ich erwähnte bereits das Erfordernis, mit den internen Ressourcen zu haushalten und durch Digitalisierung effizienter zu werden. Remote Monitoring ist ein wichtiges Stichwort. Daraus lässt sich eine vernünftige Einsatzplanung ableiten. Gleichzeitig können wir so auch ESG-bezogene Fragestellungen lösen. Wo sollte im Portfolio zum Beispiel als erstes investiert werden oder wie können verschiedene Use Cases aussehen? Da gibt es noch unheimlich viel Potenzial.
Das spricht dafür, die von der Industrie künstlich eingezogenen Wertschöpfungsgrenzen aufzubrechen, zum Beispiel die zwischen dem Eigentümer und demjenigen, der über die Daten verfügt wie dem Facility-Manager…
Einem besseren Austausch und ergebnisorientiertem Vorgehen stehen meistens schon allein die Verträge im Weg. Oft lassen sie keinerlei Freiraum, wie man als Dienstleister seine Leistungen erbringt. Das ist natürlich der Tod jeglicher Kreativität und digitalen Lösung. Erst, wenn man Output-fokussiert an die Dinge herangehen kann, wenn nur das Ergebnis zählt, erzeugt das automatisch Innovation. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die schon weiter sind und sich darauf einlassen.
Welche digitalen Lösungen und Ansätze sind aus Ihrer Sicht besonders geeignet, um die Branche nach vorn zu bringen?
Das kommt darauf an, was man als Ziel definiert. Wenn ich wieder mit dem Vordergründigsten – den Dekarbonsierungszielen – anfange, sind wir große Verfechter davon, digitale Lösungen zur Steuerung der Gebäudetechnik einzuführen, wo immer das möglich ist. Durch ein einfaches digitales Tool konnten wir rund 35 Prozent an CO2-Einsparungen darstellen. Die Kosten sind angesichts dessen vernachlässigbar – für den Einsatz auf rund 22.000 Quadratmetern waren sie im fünfstelligen Bereich. Statt diese Möglichkeiten wahrzunehmen – im doppelten Wortsinn – wird den Leuten Angst vor riesigen Investitionen gemacht. Aber wir können uns jetzt mit guten digitalen Lösungen und wenig Geld Zeit kaufen, um dann vernünftige Strategien aufzubauen. Die sehen ganz unterschiedlich aus und deshalb brauchen wir diese Zeit.
Wir müssen ebenfalls bedenken: Über die Strategien und Maßnahmen entscheiden ja in der Regel keine Immobilienexperten. Bei der breiten Masse der Gewerbeimmobilien sind die Zuständigen extrem unsicher, wo sie wie viel Capex reinstecken sollen. Die Politik trägt ihren Teil zu dieser Unsicherheit bei. Allein durch mehr Zeit, etwa für fundierte Analysen, fühlen sich die Verantwortlichen viel wohler. Und bei diesen Analysen wie auch in der automatischen Steuerung und Überwachung der Gebäudetechnik oder bei Vertrags- und Einkaufsanalysen wird natürlich auch verstärkt KI Einzug halten und enormen Mehrwert liefern.
Es ist Tradition, dass wir diese Frage zum Abschluss stellen: Für welches Problem in Ihrem Unternehmen, Ihrer Organisation und/oder auch im Privatleben hätten Sie in einer idealen Welt gern eine (digitale) Lösung?
Beruflich wie privat betrifft das das Thema der zunehmenden Menge und Komplexität von verschiedenen Lösungen, mit denen wir es zu tun haben. Ob im Privatleben, zu Hause oder als Unternehmen – ich möchte eigentlich nicht mit dutzenden Apps arbeiten, sondern am liebsten viel integrieren. Ich will alles, was mir das Leben einfacher macht, auch einfach steuern. Wenn ich über Mobilität nachdenke: Da kann ich mit der einen App einen Roller mieten, mit der anderen ein Fahrrad, die nächste brauche ich für die Fahrt mit der Bahn usw. Da wäre es schön, eine integrierte Lösung zu haben. Das gilt für alle Lebenslagen und kann in Zukunft auch unseren Kunden eine Hilfe sein, um Dinge eben nicht immer komplexer zu machen, sondern zu vereinfachen. Das ist schlussendlich auch der Ansatz des integrierten Facility-Managements – ein Ansprechpartner für alle Anliegen.