Wir profitieren vom Trend, Immobiliendienstleistungen zu bündeln

Sie haben persönlich eine lange Historie in der Bauindustrie. Wieviel Bauingenieur steckt noch im Facility Manager Jochen Keysberg?

Dr. Jochen Keysberg: Unser Schwerpunkt liegt im technischen Facility Management. Da schadet es sicher nicht, wenn man als Bauingenieur viele, auch sehr komplexe Gebäude realisiert hat, weil man dann ein hohes Maß an technischem Verständnis mitbringt.

Privat habe ich durch diese Erfahrung oft einen anderen Blick auf Gebäude oder Tragwerke. Ich schaue mir immer an, wie die Dinge konstruiert sind. Das lässt mich nicht los, auch wenn es heute nicht mehr unser Kerngeschäft ist. Meine Analyse muss sich dann auch meine Familie manchmal mehr oder weniger geduldig anhören, wenn wir an einem interessanten Bauwerk vorbeifahren.

Dann können Sie doch sicher gut einschätzen, wie sich das Bauen verändert hat.

Im eigentlichen Bauprozess und in der Effizienz hat sich leider nicht viel verändert. Wenn Sie beispielsweise das Thema BIM nehmen, das ich persönlich sehr befürworte, sehe ich leider eine sehr träge Entwicklung.

„Im FM ist das Innovationspotenzial höher und leichter umsetzbar als in der Bauindustrie“

BIM war schon zu meiner aktiven Zeit als Vorstand bei Bilfinger vor über 10 Jahren eines der angeblich sich schnell entwickelnden Innovationsthemen. Wenn man heute sieht, wie mühsam und noch heterogen der BIM-Prozess ist, dann versteht man auch, warum mir Facility Management so viel Spaß macht. Hier sehe ich das Innovationspotenzial höher und leichter umsetzbar als in der Bauindustrie.

Ansonsten hat sich in der Gebäudetechnik viel verändert. Vor allem die Komplexität nimmt von Jahr zu Jahr zu. Meiner Meinung nach ist manches in der Gebäudetechnik mittlerweile sogar etwas overengineered.

Apleona ist vor allem für seine Facility Management Dienstleistungen bekannt, dabei gehört auch technische Gebäudeausstattung, Innenausbau und Immobilienverwaltung zum Leistungsangebot. Wo liegt der Kern ihres Geschäfts und wo sehen Sie noch Wachstumspotenziale?

Apleona entwickelt sich wie geplant immer mehr zu einem führenden europäischen Anbieter für integriertes Facility Management mit regionalem Schwerpunkt in DACH und klarem Fokus auf technische Dienstleistungen. Wir profitieren von dem Trend, Immobiliendienstleistungen zu bündeln und in eine Hand zu geben. Dies ist sowohl in Europa als auch in Deutschland das derzeit am stärksten wachsende Marktsegment. Bei Ausschreibungen immer größerer Portfolios, auch über Regionen und Grenzen hinweg, gehört Apleona zu den wenigen Anbietern in Europa, der in diesem Bereich Erfahrung und Referenzen vorweisen kann.

„Die Dekarbonisierung wird in den nächsten 5 bis 10 Jahren das beherrschende Thema bei der Revitalisierung von Gebäuden und der Bestandsentwicklung sein“

Mit unserem technischen Fokus ist der Weg zur technischen Gebäudeausrüstung natürlich nicht weit, insbesondere wenn man bedenkt, dass dieses Gewerk bei der Dekarbonisierung des Gebäudebestands eine große Rolle spielen wird. Und die Dekarbonisierung wird in den nächsten 5 bis 10 Jahren das beherrschende Thema bei der Revitalisierung von Gebäuden und der Bestandsentwicklung sein. Es liegt auf der Hand, dass für uns die Gebäudetechnik und der Innenausbau ein wichtiges Geschäft sein wird, in das wir auch investieren werden.

Ich sehe Apleona in Zukunft als Enabler und Integrator für nachhaltige Lösungen im Gebäudebestand. Als FM-Dienstleister sind wir dafür ideal aufgestellt, da unsere eigenen FM-Spezialisten vor Ort in den Liegenschaften sind, die Liegenschaften, Gebäude und Anlagen kennen und über die notwendigen Ressourcen und Steuerungskompetenzen verfügen. Künftig werden wir klassische FM-Dienstleistungen wie Wartung, Instandhaltung und Optimierung von HLK-Anlagen mit neuen, daten- und KI-basierten Dienstleistungen wie Energiemonitoring und -steuerung, kaufmännischen Dienstleistungen wie Energieeinkauf und unseren Gewerken Gebäudetechnik und Innenausbau kundennah zu einem optimalen Gesamtpaket verknüpfen.

Was sind die Hauptprobleme von Bestandshaltern bei der Dekarbonisierung ihrer Bestände?

Institutionelle Bestandshalter, deren Kerngeschäft die Immobilie ist, haben in der Regel bereits eigene Kompetenzen aufgebaut und treiben die Dekarbonisierung bewusst voran. Ihr Problem bei der Umsetzung ist eher eine sehr heterogene Mieterstruktur in den Immobilien.

Der deutlich größere Teil - rund 70 Prozent - der Gewerbeimmobilien in Deutschland wird aber selbst genutzt. Bei diesen Unternehmen erleben wir seit Monaten eine sehr hohe Nachfrage nach Transparenz über die Verbräuche und CO2-Emissionen in ihren jeweiligen Portfolios. Hinzu kommen vor allem Beratungsleistungen, da die Anforderungen an die Berichterstattung u.a. durch die ESG-Taxonomie der EU immer komplexer werden.

Wie transparent sind denn die Immobilien, die Sie derzeit betreuen? Das Frauenhofer-Institut hat mal geäußert, dass viele Bestandshalter außer Baujahr und Mietertrag keine große Kenntnis von ihren Objekten hätten.

Das kommt dem schon relativ nah, was wir so erleben. Wir stellen bei vielen Ausschreibungen fest, dass die Liegenschaften und deren technische Gebäudeausrüstung nicht gut erfasst sind, vor allem nicht digital.

„Unsere Analyse von Gebäudedaten, oft schon mit Hilfe von KI, liefert schon heute einen enormen Mehrwert“

Da es keine standardisierten, allgemeingültigen Vorgaben gibt, haben wir inzwischen eine eigene, sehr strukturierte Erfassung von Gebäude- und Anlagendaten entwickelt. Die Analyse dieser Daten, oft schon mit Hilfe von KI, liefert uns und unseren Kunden schon heute einen enormen Mehrwert, zum Beispiel bei den Capex-Ausgaben oder der transparenten Darstellung von Verbräuchen und Emissionen.

Mit welchen konkreten Maßnahmen können Sie als Facility Manager den Bestandshaltern helfen, CO2 einzusparen?

Zunächst natürlich die Transparenz über die Assets im Portfolio, wie ich in meiner vorherigen Antwort bereits erwähnt habe.

Dann haben wir sehr gute Energiemanagementsysteme, mit denen wir durch Monitoring und aktive oder auch KI-basierte, vollautomatische Steuerung den Energieverbrauch in den Bestandsimmobilien um 20 bis 30 Prozent senken können. Das sind realistische Werte, die nachweislich in den letzten zwei Jahren in vielen Liegenschaften aller möglichen Gebäudetypen erreicht wurden. Ich habe meinen Computer voll mit Beispielen, die zeigen, dass unsere Maßnahmen funktionieren.

„Mit unserem Know How können Kunden ihren individuellen Dekarbonisierungspfad in den ersten drei bis fünf Jahren ohne große Investitionen umsetzen“

Für unsere Kunden hat das einen großen Vorteil: Sie können ihren individuellen Dekarbonisierungspfad in den ersten drei bis fünf Jahren ohne große Investitionen umsetzen und in dieser Zeit eine nachhaltige, langfristige Strategie für ihr Portfolio entwickeln. So gewinnen sie Zeit, um längerfristige Investitionen zu planen und zu entscheiden. Die entscheidenden Fragen dabei lauten: Was soll mit dem Gebäude langfristig geschehen? Soll das Gebäude überhaupt erhalten werden? Wenn ja, welche Art von Energie kann ich dem Gebäude zuführen oder gibt es die Möglichkeit, es zumindest teilweise mit Photovoltaik oder einer Quartierslösung zu versorgen usw.?

Wie ist das Feedback der Kunden? Nehmen die ihr Angebot wahr und gibt es konkrete Beispiele?

Es gilt: Je größer das von uns betreute Portfolio und je strategischer die Beziehung, desto eher sind Kunden bereit, mit uns gemeinsam den Weg der Dekarbonisierung zu gehen. Beispiele hierfür sind ein langjähriger Kunde aus dem Finanzsektor, dessen Namen wir nicht nennen können oder ABB und IBM.

Sie hatten mehrfach den Einsatz von digitalen Lösungen und KI erwähnt. Wie groß schätzen Sie das Potenzial für künstliche Intelligenz (KI) und Digitalisierung in Ihrem Haus?

Sehr hoch, und zwar aus verschiedenen Gründen. Die Beispiele Energiemanagement, Energiemonitoring und Energiecontrolling habe ich bereits genannt. Ein anderes Beispiel ist die interne Effizienz. Für mich ist die interne Effizienz das stärkste Argument gegen den Fachkräftemangel. Der Weg muss ganz klar dahingehen, dass ich den Menschen produktive Zeit verschaffe und sie von allen Tätigkeiten entlaste, die durch einen digitalisierten Prozess oder gleich durch KI schneller oder ganz erledigt werden können.

„Für mich ist die interne Effizienz das stärkste Argument gegen den Fachkräftemangel“

KI hilft uns aber auch, die Komplexität der Daten zu reduzieren, von denen wir durch die systematische Erfassung von Objekten sehr viele haben. So können wir heute Analysen durchführen, die uns schnell zu den richtigen Schlussfolgerungen führen.

Sie haben den Fachkräftemangel bereits angesprochen. Jetzt haben Sie über 40.000 Mitarbeiter. Wie machen Sie Employer Branding?

Das ist vielleicht überraschend: Neben den klassischen Formaten und natürlich Social Media machen wir sehr viel lokales Employer Branding. Wenn wir zum Beispiel einen Auftrag im Großraum Leipzig haben, dann werben wir auf Straßenbahnen oder stellen uns vor Baumärkte. Wir merken immer wieder, dass wir Facharbeiter vor allem in der lokalen Community abholen müssen. Ein weiteres wichtiges Standbein ist die Ausbildung des eigenen Nachwuchses. Wir bilden jedes Jahr mehr aus als im Vorjahr. Seit letztem Jahr rekrutieren wir auch verstärkt international. Auch hier sind wir sehr erfolgreich, bei allen Schwierigkeiten, die die Bürokratie mit sich bringt. Aber immerhin ist es uns so gelungen, fast 200 neue Fachkräfte von außerhalb Europas nach Deutschland zu holen. Das alles wird den Bedarf nicht vollständig decken, dafür ist unser Wachstum zu stark. Deshalb wird Effizienzsteigerung der Schlüssel sein, um langfristig agieren zu können.

Aus welchen Ländern kommen diese durch internationales Recruiting gewonnenen Mitarbeiter?

Wir sind in verschiedenen Ländern aktiv, aber der interessanteste Markt aus meiner Sicht, sind die Golfstaaten. Dort haben sie viele Menschen, die in der Umgebung modernster Gebäudetechnik ausgebildet wurden.

Erfordert ein Trend wie Digitalisierung auch andere Berufsbilder bei Ihnen?

Datenkompetenz und eine gewisse Grundaffinität im Umgang mit digitalen Werkzeugen werden in Zukunft sicher zu den Mindestanforderungen gehören, ebenso wie eine weiterhin wichtige technische Grundausbildung. Angesichts der zunehmenden Komplexität der Gebäudetechnik wird der Faktor Zusammenarbeit im Team, die Fähigkeit zu lösungsorientiertem Denken in Zeiten von KI und zunehmender Spezialisierung wichtiger als reines Faktenwissen.

„Der Facility Manager der nahen Zukunft wird als Generalist zwar Probleme erkennen, viele aber nur in enger Zusammenarbeit mit Experten lösen können“

Der Facility Manager der nahen Zukunft wird als Generalist zwar Probleme erkennen, viele aber nur in enger Zusammenarbeit mit Experten lösen können. Ein guter Vergleich sind die „Gelben Engel“ des ADAC, die oft in Zusammenarbeit mit Spezialisten in der Zentrale fast immer vor Ort helfen können. Über digitale Tools oder auch das bereits vorhandene iPad mit Videofunktion wird die "Fernhilfe" durch Spezialisten immer selbstverständlicher werden.

Wer 40.000 Mitarbeiter*innen führt, braucht sicherlich auch einen persönlichen Ausgleich. Was machen Sie als Ausgleich zum Berufsalltag?

Ob Sie es glauben oder nicht, wer mich kennt, wird das bestätigen können: Ich bin ein sehr ausgeglichener Mensch und fühle mich nicht so gestresst, dass ich unbedingt einen Ausgleich bräuchte. Meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß.

Trotzdem habe ich natürlich auch ein Privatleben. Ich treibe viel Sport. Außerdem bin ich sehr technikaffin und bastele gerne. Handwerker kommen bei uns kaum ins Haus, weil ich vieles selbst mache.

Was wünschen Sie sich von Immobilienbranche und Politik?

Kosten und Wertentwicklung von Bestandsimmobilien werden sich zunehmend an der Energieeffizienz eines Gebäudes orientieren. Diese veränderten Anforderungen an ein modernes Portfolio- und Gebäudemanagement können einen regelrechten Know-how- und Technologieschub auslösen. Hier gibt es viel zu tun, das wir nur gemeinsam Hand in Hand mit Eigentümern, Nutzern, Managern und Betreibern bewältigen können.

Leider gibt es in der Branche aufgrund der vielen guten Jahre zu wenig Bereitschaft, diese Themen rasch und gemeinsam anzugehen. Hier wünsche ich mir von der Immobilienwirtschaft mehr Mut zu neuen, offeneren Strukturen, zur Transformation, sonst werden wir die großen Herausforderungen, die vor uns liegen, nicht bewältigen können.

„Hier wünsche ich mir von der Immobilienwirtschaft mehr Mut zu neuen, offeneren Strukturen, zur Transformation“

Das Zauberwort heißt Green Real Estate. Wir müssen als Branche ganzheitliche Technologien entwickeln, um die Nachhaltigkeit von Bestandsgebäuden durch zeitgemäße Sanierung und energetische Optimierung zu steigern.

Dieser ökologische Umbau wird aber nur gelingen, wenn wir flexibler und technologieoffener agieren. Gefragt sind unternehmerische, intelligente Lösungen und keine staatliche Überregulierung. Die Politik sollte daher Einsparziele vorgeben und deren Einhaltung kontrollieren, ansonsten aber den professionellen Akteuren die notwendigen Freiräume lassen, um diese Ziele zu erreichen. Die Entscheidung, mit welchem Technologiemix im jeweiligen Portfolio Energie- und CO2-Einsparmaßnahmen am effektivsten umgesetzt werden, sollte die Politik den Eigentümern und Betreibern als Experten überlassen.